In der neunzigsten Episode unseres vorweihnachtlichen Medien-Podcasts „Voll in die Presse“ starten wir mit einem Potpourri der besten liegengebliebenen Themen in die fünfte Staffel. Bei Bier und Wein begegnen wir einem Hintern mit Augen. Vor Gericht treffen sich Hase und Reh zum geselligen Wasserlassen. Und eine KI-betriebene Pizza Hawaii mutiert zum köstlichsten Space-Monster aller Zeiten. Kurzum, heute schießen wir aus allen Rohren – diesmal ganz ohne feste Themenvorgabe.
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Pulleralarm und Wurmtrennung
Ein Wildpinkler am Strand von Travemünde wurde von gleich drei Ordnungshütern erwischt und sollte ein Ordnungsgeld zahlen. Er weigerte sich und die Sache landete vor einem verständnisvollen wie poetischen Richter. Der nahm sich zunächst den praktischen Fragen an. Erstens habe der Pinkler in der Dunkelheit niemanden belästigen können und zweitens leide die Wasserqualität angesichts der 21.631 Kubikkilometer Brackwasser in der Ostsee auch im Nachahmungsfall nicht. Geruchsbeeinträchtigungen seien ebenfalls ausgeschlossen. Im Fazit zeigt sich der Richter gar poetisch und spricht sich für das Recht auf Wildpinkeln bei naturnahen Aktivitäten aus:
„Der Mensch hat unter den Weiten des Himmelszeltes nicht mindere Rechte als das Reh im Wald, der Hase auf dem Feld oder die Robbe im Spülsaum der Ostsee.“
Amtsrichter Felix Spangenberg zum Wildpinkeln am Strand
Kurios geht es auch in den Weiten der Meere zu. So führt der dort heimische Wurm Megasyllis nipponica ein äußerst eigenwilliges Dasein. Zur Fortpflanzung teilt er sich in der Mitte. Sein mit Hirn und vier Augen versehenes Hinterteil macht sich dann auf Partnersuche, während der vordere zurückbleibt und ihm mit der Zeit ein neues Ende nachwächst. Forscher vermuten, dass sich das Tier so besser an verschiedenen Orten ausbreiten kann und das Muttertier verschont bleibt, falls das mäandernde Hinterteil bei der riskanten Partnersuche zur Beute wird.
Münzwurf-Studie und Mutanten-Pizza
Forscher der University of Amsterdam haben keine Mühen gescheut und nach ganzen 350.000 Münzwürfen verschiedener Währungen Erstaunliches festgestellt: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Münze auf einer der beiden Seiten landet, liegt nicht etwa bei 50/50. Die akribisch dokumentierten Münzwürfe endeten stattdessen mit 51 Prozent Wahrscheinlichkeit auf der Seite, die auch beim Start oben lag. Keine Rede war hingegen von Fällen, dass die Münze auf der Kante landete. Das erstaunliche Phänomen mag es Insidern ermöglichen, Profit aus dieser Erkenntnis zu schlagen, wenn auch nur wenig. Wenn es beim Münzwurf tatsächlich um etwas geht, empfehlen die Forscher eine einfache Lösung: Zu Beginn einfach die Münze verdecken – dann lässt sich das etwas wahrscheinlichere Ergebnis auch nicht mehr voraussagen.
Mal Fünfe gerade sein lassen? Die viel gepriesene KI ist manchmal legendär unpräzise. Und wenn man sie unter Druck setzt, dreht sie völlig ab. Reddit-Nutzer*innen machen einen Sport daraus, bildgenerierende KI wie Dall-E mit wiederholten Befehlen zu immer abstruseren Ergebnissen zu drängen. So wird eine zunächst harmlose Pizza Margherita durch ein wiederholtes „mach sie köstlicher“ zunächst zur einer Pizza Hawaii. In den nächsten Runden geht die Ananas steil, bis sich schließlich ein weltumspannender Ananas-Mutant mit Pizza-Zunge auf Spinnenbeinen durchs Weltall bewegt. Kann man nicht beschreiben, muss man gesehen haben.
Zug-Hacker und Marathon-Taxi
Eine unangenehme Überraschung ereilte die Niederschlesischen Eisenbahnen, nachdem sie mit der Wartung ihrer Triebwagen ein anderes Unternehmen als den Hersteller Newag beauftragt hatten. Nach der Wartung sprangen die Züge einfach nicht mehr an. Um die Ursache zu finden, beauftragte das Unternehmen Hacker, die sich mittels Reverse Engineering über die Züge hermachten. Das war gar nicht so einfach, denn die Dokumentation erwies sich als lückenhaft und diverse Bauteile fielen dem Unterfangen zum Opfer. Doch am Ende zeigte sich: Der Hersteller hatte einen Kill Switch eingebaut. Der legte die Züge bei Wartungsversuchen lahm, falls sie sich dabei in den Werkstätten von Drittanbietern befanden. Als das Debakel öffentlich bekannt wurde, beschuldigten sich Hersteller und Hacker gegenseitig der Sabotage.
Die schottische Ultramarathon-Läuferin Joasia Zakrzewski bekam Ärger mit dem Leichtathletikverband, nachdem sie einige Kilometer eines Marathons mit dem Auto zurückgelegt hatte. Sie habe plötzlich Schmerzen gehabt und sei ins das Auto eines Freundes gestiegen. Das teilte sie der Rennleitung auch beim nächsten Kontrollpunkt mit, und lief außer Konkurrenz weiter. Stress gab es deshalb, weil sie im Ziel die Trophäe für den dritten Platz angenommen und für Fotos posiert hatte. Aufgrund ihrer langen Anreise am Vortag habe sie nicht mehr klar denken können, entschuldigte sich die Läuferin. Das nahm ihr der Verband aber nicht ab, denn sie hatte die Trophäe auch in der Woche nach dem Rennen behalten und die Siegerfotos in sozialen Medien geteilt.
Wir gehen aus dieser Folge als klare Sieger hervor und sprinten zwischen Weihnachtsbaum und Gabentisch hochmotiviert unserer Silvester-Episode entgegen.
Über diesen Podcast
„Voll in die Presse“ ist der Medienspiegel-Podcast über herrlich schräge Meldungen, Berichte und Social-Media-Posts. Ob nun kurios, peinlich oder einfach nur verrückt, wir sprechen darüber. Dabei geht es nicht nur um die Meldung als solche sondern vor allem auch um die Geschichte dahinter, manchmal sogar um das große Ganze. Vieles ist auf den ersten Blick lustig, manches stimmt auf den zweiten Blick aber vielleicht auch nachdenklich. Auf jeden Fall bietet die Medienwelt unzählige Gelegenheiten für eine angeregte Unterhaltung.
„Gegen einen ordentlichen Rüssel kommt die KI nicht an.“
Prollo über Beefs Schniefnase
Damit es dabei nicht zu trocken zugeht, gibt es parallel zum Gequatsche eine exquisite „Bottle-Party“. Das heißt konkret, jeder Mitstreiter bringt ein Getränk seiner Wahl mit zur Sendung und wir verkosten dieses während wir unsere Presse-Fundstücke diskutieren. So bekommt der Name „Voll in die Presse“ eine ganz neue Bedeutung. Aufgenommen wird das Ganze im Benanza-Bus, unserem fahrenden Ton-Studio. Das literarische Quartett besteht aus den Herren Sammer, Prollo Ferrari, Beef Rogers und dem Gastgeber Ben Cartwright.
VIDP#90 – Die Artikel
Spiegel: Wurm Megasyllis nipponica: Hintern mit Augen
Boingboing: Coin toss not so random after all, says groundbreaking study
Süddeutsche: Gerichtsurteil: Frei wie die Robbe
Golem: Hacker finden versteckten Killswitch im Zug
Golem: „Inkompetenter“ Zughersteller will Hacker verklagen
Spiegel: A24 in Brandenburg: Tempolimit senkt die Unfallzahlen und fällt deshalb weg
t3n: Witziges ChatGPT-Experiment: „Make It More“ lässt Bild-KIs komplett überdrehen
X/@GarrettPetersen: Let’s find the most delicious pizza using ChatGPT!
Spiegel: YouTuber gesteht absichtlichen Flugzeugabsturz
Heise: US-Klage: Suchergebnisse bei Amazon.com sind bewusst so schlecht
Tagesschau: Betrug bei Führerscheinprüfungen auf Rekordniveau
Merkur: Autofahrer fährt über 200 Kilometer auf falsche Ostsee-Insel – wegen Buchstabenfehler
Spiegel: Mit dem Auto Meter gemacht – zwölf Monate Sperre für Spitzenläuferin
n-tv: Serien-Reifenschlitzer entpuppt sich als Hund
VIDP#90 – Die Getränke
Lumos No. 2 (Rotwein)
Fastmann Weißburgunder (Weißwein)
LaTrappe (Trapisten-Bier)
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