Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat gesprochen: Der Alkoholkater stellt eine Krankheit dar. Dieser Urteilsspruch hat im Biertrinkerland Deutschland natürlich für ein großes Presse-Echo gesorgt. Doch auch in den Kneipen, Clubs und Trinkhallen der Nation dürfte eine gewissen Jubelstimmung zu spüren sein. Endlich kann sich auch die arbeitende Bevölkerung unter der Woche so richtig einen hinter die Binde kippen – und am nächsten Tag krank melden. Kater ist ja jetzt eine Krankheit.
Vorbei sind die Zeiten, in denen man Dinge wie „Männergrippe“ oder „Monatsbeschwerden“ vorschieben musste. Dank des Urteilsspruchs kann man für den berühmten gelben Zettel auch die wahren Gründe nennen: „Doc, ich habe einen über den Durst getrunken“. Natürlich führt nicht jede Krankheit zwangsläufig zur Arbeitsunfähigkeit und damit zu einer entsprechenden Bescheinigung des Arztes. Doch mit dem richtigen Absacker lässt sich die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit sicherlich gewährleisten.
Klingt zu schön um wahr zu sein? Ist es leider auch. Denn der frohlockende Trinksportler sollte beachten, dass vorsätzlich herbeigeführte Krankheiten die Leistungspflicht des Versicherers ausschließen. Dies regeln die Musterbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (MB/KK) in § 5 Abs. 1 b. Der Thekenprofi unterscheidet also zwischen dem vorsätzlichen Alkoholgenuss und dem dadurch hervorgerufenen Kater. Oder anders gesagt, man sollte sich nicht mit dem Vorsatz betrinken, am nächsten Tag einen Kater zu haben. Aber mal ehrlich, wer tut das schon.
Gefühlt haben wir doch schon immer gewusst, dass dieser fiese „Hangover“ eine Krankheit ist („ich glaube das letzte Bier war schlecht“). Von der völligen Bewegungsunfähigkeit bis hin zur Dauernutzung des sanitären Haustelefons, schön war der Tag danach noch nie. Allein der alkoholbedingte Atomschädel ist Krankheit genug. Dass ein Gericht dies nun ebenso sieht, bestätigt also all diejenigen, die sich nach einer durchzechten Nacht geschworen haben, „nie wieder“! Selten war ein Urteilsspruch so nachvollziehbar wie in diesem Fall.
Allerdings muss der Vollständikeit halber gesagt werden, dass dem Urteil nicht etwa die Klage eines verkaterten Arbeitnehmers zugrundelag. Vielmehr ging es darin um Werbung für zwei Nahrungsergänzungsmittel, deren Verzehr dem Entstehen eines Katers nach Alkoholkonsum vorbeugen bzw. die Wirkungen des Katers lindern soll. Das Gericht entschied, dass solche Werbeaussagen gegen das Verbot verstößen, Lebensmitteln krankheitsbezogene Eigenschaften zuzuweisen. Geklagt hatte ein Verein, zu dessen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung der Regel des unlauteren Wettbewerbs gehört. Mehr Informationen gibt es in der Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main.
Doch allein die Überschrift der Pressemitteilung („Kater als Krankheit“) lädt trefflich dazu ein, sich von diesem – noch nicht rechtskräftigen – Urteil inspirieren zu lassen. Und sei es nur zum Schreiben eines augenzwinkernden Textes wie diesem, der – Achtung Disclaimer – keine Rechtsberatung darstellt und keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit erhebt. In diesem Sinne: „Nicht lang‘ schnacken, Kopp in Nacken!“
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 12.9.2019, Az. 6 U 114/18
(vorausgehend Landgericht, Urteil vom 8.6.2018, Az. 3/10 O 67/17)
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